Es ist Hochsommer. Ich sitze mit meinem Hund Rudi am See versuche, mich von der Sommergrippe zu erholen. Mein inneres Mantra lautet: „Tee trinken und abwarten“. Ich sage mir das nun seit 5 Tagen schon. Ich weiß, dass jetzt absolut nicht die Zeit ist, um irgendwas zu erledigen und mich in irgendeiner Form zu betätigen. Zugegeben, ich bin gerne „in Action“, deshalb ist es keine so leichte Situation für mich. Und: Sie führt mir unverhüllt vor Augen, was von mir bleibt, wenn mal „NICHTS“ ist. Wenn alle Routinen, Gewohnheiten, To Do´s wegfallen. Es ist nicht das erste Mal, dass ich diese Erfahrung mache, und trotzdem ist es unglaublich befremdlich.
Was bleibt also, wenn alles wegfällt?
Diese Frage finde ich spannend. Sie wirft uns auf uns selbst zurück. Radikal. Dies kann durchaus sehr verunsichernd sein, aber auch ganz viel bereithalten, von dem man bislang noch nichts wusste. Eine Pause ist eine sehr gute Gelegenheit für ein Selbst-Experiment. Bei mir lautet das Experiment: wie werde ich diese erzwungene Pause aushalten, oder gar mit Neuem füllen? Ich bin selbst gespannt, was draus entsteht und was mir so einfällt.
„Jedes Leben ist ein Experiment. Je mehr du experimentierst, desto mehr lebst du.“ (Ralph Emerson)
Wenn man sich dieses Zitat mal langsam auf der Zunge zergehen lässt, dann ist es wie eine Einladung, neugierig zu bleiben:
Zum Beispiel neugierig bleiben auf die Dinge, die zu einem kommen, ob gut oder schlecht. Es bedeutet auch, neugierig sich selbst gegenüber zu bleiben und auf die Welt, ihre Natur, Lebewesen und Phänomene. Das höhere Ziel dabei ist wohl, schlicht und einfach mehr zu leben.
Das Ziel ist nicht, gut zu werden, sondern ganz.
In Experimenten rückt das „Er-Leben“ in den Mittelpunkt, um die Fülle der Lebenserinnerungen, die man so im Laufe der Zeit ansammelt, zu bereichern.
Ich verstehe: Das Sammeln kleiner und großer Experimente füllt also den Lebensspeicher. Unabhängig davon, wie die Ergebnisse ausfallen. Es geht „ums Ganze“, um die Erfahrung an sich, wie wir damit umgehen oder was wir daraus lernen. Jedes Experiment besitzt die wertvolle Chance, zu wachsen. Erinnern bedeutet, sich dem Lebensspeicher bedienen. Wir haben zu großen Teilen die Wahl, was wir genauer betrachten wollen, welche Erinnerung wir „ausgraben“. Der Speicher ist viel voller, als wir im Bewusstsein haben. So viele Experimente, so viele Erfahrungen, so viele Erinnerungen. Schöne und Unschöne, alle mit Potential…
Ich erinnere mich plötzlich.
Es taucht wie ein Geistesblitz auf. Ich erinnere mich an eine meiner prägendsten Lebenssituationen. Sie hat im Nachhinein betrachtet meinem Leben eine entscheidende Richtung geschenkt. Vor 14 Jahren kam ich das erste Mal nach Sri Lanka. Zuvor hatte ich eine zutiefst schmerzhafte Erfahrung: In der 15. Woche meiner ersten Schwangerschaft erlitt ich eine Fehlgeburt. Dieser Verlust zog mir den Boden unter den Füßen weg. Ich fiel tief und hatte eine lange erzwungene Pause. In dieser ungewollten Pause – in der ich leer und auf mich selbst zurück geworfen war – entstand bei allem Schmerz auf einmal etwas, das mein Leben radikal veränderte: ich erhielt die Gelegenheit, Ayurveda in Sri Lanka zu machen. Während dieser Ayurveda-Erfahrung erlebte tiefe Heilung körperlicher und seelischer Art.
Und – und das veränderte mich nachhaltig – ich erlebte mein allererstes Yoga. Jeden Morgen um 6 Uhr stiefelte ich die alten steinernen Treppen zur Yogaempore hinauf und übte Sonnengrüße mit buddhistischen Mönchen. Es war in jeder Hinsicht ein sehr großes Experiment für mich. Seit meiner Jugend war ich ein Sport- und Fitnessfreak und bereits 10 Jahre Trainerin. Yoga war für mich etwas absolut Befremdliches. Es war mir zu spirituell und zugegebener Weise war ich in jeder Hinsicht zu fest und zu „starr“. Heute weiß ich, dass diese Yoga-Erfahrung meine Rettung war. Der Samen für eine sehr bereichernde Lebensausrichtung war gesät, in der ich Flexibilität, Positivität und Power gewann. Power, um zu beginnen.
Ich begann.
Ich begann, genau hinzuhören und hinzusehen. Ich begann, eine tiefere Verbindung mit mir selbst einzugehen, was nach einer Fehlgeburt sehr heilsam ist. Ich begann herauszufinden, was mein Körper und meine Seele eigentlich WIRKLICH brauchen, um in Balance zu sein. Ich begann, trotz großem Schmerz glücklich zu werden. Und ich begann, mehr in Akzeptanz und Dankbarkeit zu leben. Das war spannend, denn aus Sicht der positiven Psychologie ist dies ein entscheidender Schlüssel für Glück, wie ich erst viel später im Studium (Präventions- und Gesundheitsmanagement) erfuhr.
Wenn man das Eine beginnt, öffnen sich plötzlich viele neue Türen und Räume.
Ich weiß, egal welche Räume sich eröffnen, sie werden neue Sichtweisen, neue Ideen, neue Optionen bereit halten. Sie werden Wachstum ermöglichen. Darauf lässt sich vertrauen. Seit damals vertraue ich mehr und bleibe häufiger gelassen. Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass diese Gelassenheit vieles bereit hält. Man kann ja nur gewinnen, egal was. Deshalb sage ich das oft auch aus purer Überzeugung in meinen Kursen:
„Beginne einfach – Mach mal ein Experiment“ und „Take it easy“.
Also sitze ich da in meiner erzwungenen Pause und bin gespannt. Ich habe mich entschieden, eine Tür der neuen Möglichkeiten zu öffnen und etwas zu wagen. Ich freue mich, ich habe meinen ersten Blog für die eigene Homepage geschrieben. Ein Experiment in einer gezwungenen Pause. Das Ergebnis ist offen, so ist das bei Experimenten. Aber ich sehe es mit Gelassenheit. Was ich weiß ist, es wird GANZ sein, vielleicht auch gut. Aber das ist nebensächlich. Es wird mich so oder so ein Stück wachsen lassen.
Ich freue mich zutiefst, dass du dies liest. Vielleicht hast du inne gehalten und überlegt, wie es in deinen kleinen und großen Pausen und Experimenten so ist. Sei dir bewusst, dass du immer wächst. Immer ein Stück weiter und über dich hinaus. Das ist Teil deiner Essenz, deines individuellen Lebensplans. Es muss nicht immer gut sein. Viel schöner ist doch, dass es überhaupt ist und dass es „ganz“ sein darf.
In diesem Sinne: Ich freue mich auf die nächsten Experimente und Anfänge, die wir gemeinsam „er-leben“. Mit Vertrauen, Gelassenheit, viiiiiel Wachstumspotential und noch mehr YAY!
Deine Kathi
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