
Es ist Sonntag Anfang Oktober. Der Herbst hat längst Einzug gehalten und sich an diesem Tag bereits ordentlich bemerkbar gemacht: mit viel Morgennebel, Windböen und ein paar goldenen Sonnenstrahlen zwischen einigen Regenschauern.
Ich streife mit meinem treuen Hund Rudi durch den Wald. Es duftet moosig und sowohl die bunte Blätterdecke, wie auch der Matsch des feuchten Waldbodens kleben an meinen Regenstiefeln. Ich tauche ein die die Natur, in den Herbst, in den Moment, in mir.
Rudi macht es genauso. Ich beobachte ihn und bewundere sein Versunkensein. Wir genießen diesen, unseren Rückzug. Still und verbunden.
Der Herbst lädt uns ein, still zu werden und einzukehren.
Ich finde, der Herbst lässt sich am besten in der Natur, im Wald betrachten.
Hier erkennt man am ehesten, was diese Phase im Jahr kennzeichnet und hier erkenne ich, das auch ich ein Teil dieser Natürlichkeit bin und viel vom Herbst lernen kann:
Der Herbst steht für den Übergang, den Wandel und beginnt meist leise.
Aus dem lauten Sommergefühl heraus schiebt sich bedächtig ein neuer Rhythmus. In der Natur sehen wir die Veränderung in den Farben. Tiere bereiten sich ihr Winternest oder sammeln einen Vorrat, es geht um eine ganz bewusste Gestaltung dieses Übergangs und um das Schärfen der Wahrnehmung für den Wandel von Einem zum Nächsten.
Bewusst einen Übergang zu gestalten von dem, was war und hin zu dem, was kommt, ist etwas, das der Herbst uns gut spiegelt.
Aus meiner Erfahrung heraus ist unser Leben häufig geprägt von To Do´s, Momenten, Lebenssituationen und -Orten, die eher unverbunden nebeneinander stehen oder aneinander gereiht werden. Übergänge „von Moment, zu Moment“ gestalten wir häufig nicht und nehmen den Übergang dazwischen wenn überhaupt nur flüchtig wahr. Der Herbst lehrt uns jedoch, dass die Veränderung, der Wandel, etwas Wertvolles, Goldenes und letztlich Grundnatürliches ist.
Hingabe an diesen Wandel ist etwas, das wir vom Herbst lernen können.

Der Herbst ist auch Erntezeit: eine Zeit der Fülle, für die man dankbar sein kann und eine Zeit der Reflektion.
Während ich so durch den Wald wandere, erinnere ich mich an die vergangenen Monate und betrachte bewusst, was entstanden ist und was ich bewirken konnte bis jetzt. Nicht alles war so, wie ich das zuvor gewünscht und erwartet hatte. Sicherlich habe ich auch Fehler gemacht, dafür bin ich Mensch genug und weiß, dass ich draus lernen kann. Und Sicherlich ist auch Vieles geglückt und hat Wunderbares hervorgebracht. Der Herbst steht dafür, die Ernte einzufahren und zu erkennen, das tatsächlich alles seinen Wert hat. Dafür darf man dankbar sein. Es geht nun darum, innezuhalten und die Früchte des Wirkens zu schätzen.
Der Herbst lehrt uns, das zu würdigen, was wir heute haben.
Betrachtet man den Wandel der Bäume im Herbst so wird noch etwas Weiteres ganz deutlich: Genauso, wie die Bäume ihre Blätter lösen und damit Ballast abwerfen, um Raum für Neues zu schaffen, genauso können auch wir erkennen, dass man manchmal Dinge loslassen muss. Es geht also im Herbst darum, sich von Ballast zu befreien und loszulassen, was nicht mehr dienlich ist oder sogar beschwert.
Loslassen bedeutet, Raum für Neues zu ermöglichen.
Würden die Bäume im Herbst nicht ihre Blätter loslassen, so würden sie den Winter nicht oder nicht gut überstehen und können im Frühling nicht neu austreiben. Hieran erinnert uns diese Jahreszeit und will uns ermutigen, uns zurückzuziehen, um uns für neue Aufgaben vorzubereiten. Es geht dabei auch darum, Kraft zu sammeln und neue Ziele anzuvisieren.
Dieser Rückzug darf mit einer Einkehr, mit Stille oder mit Gemütlichkeit zuhause verbunden sein.
Denn in dieser Ruhe entsteht Raum für innere Klarheit, neue Ideen und das Planen kommender Schritte.
Und dieser Rückzug darf sich bewusst „warm“ anfühlen, trotz oder gerade wegen der äußerlichen Kälte. Wärme im Miteinander, in kleinen Rituale, mit viel Achtsamkeit und gutem „Daheimsein“, was auch ein inneres Daheimsein meint. Ich finde dies gerade in diesen aktuell „dunklen“ Zeiten (und damit meine ich nicht nur die Jahreszeit) besonders wichtig und Hoffnung spendend.

Und genauso fühlt es sich für mich an, während ich mit Rudi durch den Wald stapfe. Ich fühle mich warm, bewusst im Moment und nehme achtsam wahr, was mich umgibt und was es in mir auslöst. Ich lausche dem Wind, ich betrachte, wie die Bäume ihre Blätter fliegen lassen und freigeben, ich sehe, wie sich der Himmel in den Pfützen spiegelt. Ich bin dankbar für alles, was jetzt ist. Und ich weiß, dass es Vieles gegeben hat, sowohl Gutes wie auch Unschönes, was mich hierher getragen hat. Ich gebe mich dem hin und versuche, loszulassen und Nichts zu halten. Dann passiert es: Es laufen Tränen über meine Wangen:
Tränen der Trauer. Tränen der tiefen Dankbarkeit für ALLES. Tränen der Hoffnung und Tränen der Vorfreude auf Neues. Und…
Es entsteht ein Raum in mir. Hier. In der Natur. Im Herbst.
Ich wünsche dir von ganzem Herzen einen wundervollen Herbst.
Herzlichst,
Deine Katharina

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